Open Strategy – oder das Vertrauen in die eigenen Mitarbeiter*innen!
Die Vorstellungen über Unternehmensstrategien ändern sich langsam. Bisher war strategisches Management exklusiv der Führungsebene bzw. Geschäftsführung vorbehalten. Manchmal wurden auch Unternehmensberatern beauftragt die Zukunft für das eigene Unternehmen zu gestalten. Letzteres führte häufig zu Akzeptanzproblemen und schleppender Umsetzung. Mit dem Open Strategy Ansatz wird nun ein radikal neuer Weg der Strategieentwicklung eingeschlagen. Im Folgenden wird näher auf den Ansatz eingegangen, die wesentliche Änderung und Vorteile im Vergleich zum klassischen Vorgehen aufgezeigt und schließlich gibt es einige praktische Tipps zur Anwendung im eigenen Unternehmen, Abteilung oder Fachbereich.
Was ist Open Strategy? Eine Definition
Bei Open Strategy geht es darum den Strategieprozess radikal zu öffnen, indem die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als auch außenstehende Dritte oder gar Wettbewerber in die Strategiefindung und -formulierung eingebunden werden. Statt Strategien nur innerhalb von Führungs- und Beraterkreisen zu entwickeln, forciert man bewusst den Zugang zu weiteren Wissensquellen, wie Fontline-Mitarbeiter, Kunden, Partner und Lieferanten. Dieser Ansatz wurde von den Professoren und Beratern Christian Stadler, Julia Hautz, Kurt Matzler und Stephan Friedrich von den Eichen in den letzten 2-3 Jahren entwickelt. Ihre Kenntnisse habe Sie u.a. in dem gleichnamigen Buch (Link) festgehalten.
Die wesentlichen Vorteile bei Anwendung des Open Strategy Ansatzes
Die Weisheit der Vielen
Beim Open Strategy Ansatz wird die Strategieentwicklung nicht auf einen kleinen Kreis Topmanager oder externe Berater begrenzt. Um so mehr Personen beteiligt sind, um so vielfältiger die Ansätze. Und dieses Prinzip gilt bereits in der Analyse. Denn wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass häufige Nennungen von Stärken, Schwächen, Chancen oder Risiken auch auf eine hohe Relevanz deutet. In seinem Buch „Die Weisheit der Vielen – weshalb Gruppen klüger sind als Einzelne“ geht James Surowiecki bereits 2004 detailliert darauf ein, dass die Kumulation von Informationen in Gruppen zu gemeinsamen Gruppenentscheidungen führen, die oft besser sind als Lösungsansätze einzelner Teilnehmer (sogenannte kollektive Intelligenz). Führungskräfte tun also gut daran die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Strategie mit Hilfe der kollektiven Intelligenz zu erhöhen.
Diversität statt Einspurigkeit oder die Krux mit der Confirmation Bias
Wenn die Strategieentwicklung von wenigen vorgenommen wird, können die Ergebnisse schnell einseitig werden. So stehen politische Interessen Einzelner einer erfolgsversprechenden Strategie meist entgegen. Zurückzuführen lässt sich dieses Verhalten auf auf den sogennaten Bestätigungsfehler oder auch als Confirmation Bias bekannt. Dabei sehen Menschen und insbesondere Alpha-Tiere in Führungsetagen ihre eigene Überzeugung durch andere bestätigt. So werden selektiv Informationen ausgewählt, die passend zur eigenen Wahrnehmung sind.
Neuartige Strategien basieren einerseits auf Mut und Denken außerhalb gewohnter Muster. Der Confirmation Bias trifft auch gerne mal auf sogenannte Branchenexperten zu. Strategieberater, die einen bestimmten Branchenfokus aufweisen, neigen dazu bereits bekannte Szenarien aus dem Branchenumfeld für die Strategiefindung heran zu ziehen. So sind die Chancen gering neue innovative Strategien zu entwickeln. Besser ist es branchenübergreifende Experten einzubinden.
Externe Experten aber kommen nicht zwangsläufig zu innovativeren Ideen als die eigene Belegschaft. Insbesondere, wenn die Einbindung der Mitarbeiter*innen aus unterschiedlichen Hierarchien und Bereichen stammt. Auch Mitarbeiter, die neu im Unternehmen sind können häufig unvoreingenommen neue Ideen und Richtungen einbringen. Dementsprechend aufgesetzt bringt Open Strategy innovativere oder gar disruptivere Ideen zum Vorschein, als herkömmliche Verfahren.
Höhere Bereitschaft zur Umsetzung oder das Verhindern des ‚Not-invented-here‘-Syndrom
Ein wesentlicher Vorteil des Open Strategy Ansatzes ist es, dass die Umsetzung weniger oft scheitert. Dies liegt einfach daran, dass die involvierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich auch für eine erfolgreiche Umsetzung verantwortlich fühlen. Veränderungen werden eher akzeptiert, wenn diese durch die eigenen Ideen hervorgerufen werden. Zugrunde liegt diesem Verhalten auch manchmal das „Not-invented-here“ – Syndrom. Dabei geht es um eine Aversion, das heißt einer ablehnenden Haltung gegenüber Ideen und Innovationen die extern an ein Unternehmen, eine Person oder einer anderen Abteilung des gleichen Unternehmens herangetragen werden. Um so mehr und früher die Belegschaft aus diversen Unternehmenseinheiten eingebunden sind, um so größer die Bereitschaft die Ideen und Strategien auch umzusetzen.
Realitätsnäher statt theoretische Artefakte
Strategien, in deren Entwicklung die eigene Belegschaft involviert war, berücksichtigen die betrieblichen Voraussetzungen besser. Externe sind nicht mit den aktuellen Begebenheiten im Unternehmen vertraut, kennen gerade getätigte Investitionen nicht oder sind einfach zu weit weg vom Tagesgeschäft. Letzteres ist zumal einer der Hauptgründe Externe in die Strategieentwicklung einzubinden, um der möglichen Betriebsblindheit vorzubeugen. Jedoch wird dies häufig auch überbewertet oder als vorgehaltenes Argument zur Beauftragung genutzt. In vielen Fällen, sind die eigenen Mitarbeiter*innen durchaus in der Lage Betriebsblindheit abzulegen, wenn die Fragen entsprechend gestellt sind und sie keinerlei Beeinträchtigung durch die anwesenden Vorgesetzten erfahren. Maßnahmen, die von der Belegschaft vorgeschlagen werden, sind konkreter und greifbarer. Die Leute wissen dabei sehr genau, was gemacht werden könnte auch im Detail, da sie sich tagtäglichen mit den Prozessen bzw. betrieblichen Themen auseinandersetzen oder mit den Kunden und Lieferanten im direkten Kontakt stehen.
Das Einfache ist nicht immer die beste Strategie, aber die beste Strategie ist immer einfach
Einfach und verständlich sollte zumindest die Mission und Vision sein, die als Leitlinien die Strategie wiederspiegeln sollen. Storytelling ist in der heutigen Zeit ein wesentliches Instrument erfolgreicher Kommunikation. Und das trifft auch auf die unternehmensinterne Kommunikation zu. Um so mehr Personen aus dem Betrieb in der Strategieentwicklung eingebunden waren, um so mehr Stories gibt es auch zu erzählen. Manager wie auch Experten neigen dazu viele Anglizismen zu nutzen. Fachbegriffe, die gerade in aller Munde sind. Und so fließen diese „Buzz-Words“ gerne mal auch in die Strategieformulierung mit ein. Aber dies fördert Missverständnisse bei den Mitarbeiter*innen und konterkariert auch manchmal die eigentliche Botschaft dahinter. Strategien sind da, dass alle dieser folgen können und verstehen, was zur Umsetzung zu tun ist. Halten Sie diese in der Kommunikation einfach und finden Sie frühzeitig durch die Involvierung der Mitarbeiter*innen heraus.
Entspricht den Erwartungen einer neuen Generation
Der klassische Ansatz der Strategieentwicklung steht auch im Wiederspruch zur neuen Arbeitswelt (New Work). Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wollen involviert sein, was die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens oder Bereichs angeht. Und diese nicht Top-Down von den Führungskräften zur Umsetzung vorgelegt bekommen. Es wäre zudem fatal die Meinungen und Ideen der Generation Z nicht zu berücksichtigen, denn diese arbeiten mit anderen Kommunikationsmittel, haben ein ausgeprägtes Wertesystem und sind offen und aufgeschlossen gegenüber technischen Innovationen. Gerade letzteres nutzen viele der junge Arbeitnehmer*innen im privaten und können so wesentliche innovative Impulse in die Strategieentwicklung einbringen.
Zusammenfassend noch einige praktische Tipps in der Anwendung des Open Strategy Ansatzes
- Vertrauen Sie Ihren eigenen Mitarbeiter*innen und binden möglichst viele aus unterschiedlichen Hierarchien und Abteilungen ein. Je diverser die Zusammensetzung, desto besser und innovativer die Beiträge.
- Öffnen Sie den Strategieprozess in einem ersten Schritt für die eigene Belegschaft. Dieser Schritt bringt bereits eine Menge neuer Einsichten und Ideen mit sich. Die Einbindung Dritter kann dann punktuell zur Verifizierung oder Ergänzung der Ist-/ Soll-Analyse erfolgen. Für viele Führungskräfte ist die deutlich intensivere und frühzeitiger Einbindung der Mitarbeiter*innen bereits ein große Anpassung des Selbstverständnisses.
- Setzen Sie auf erprobte und einfach handhabbare Tools, die aufeinander aufbauen. Es braucht nicht das neueste ausgeklügelte Strategieframework um zu guten Strategien zu kommen. Der Einsatz strategischer Management-Methoden darf nicht zu einer akademischen Arbeit ausarbeiten, sondern schnell, intuitiv und ohne lange Einarbeitungszeiten von vielen anwendbar sein.
- Nutzen Sie digitale Lösungen dafür, um flexibel und unabhängig von Ort und Zeit an der Strategie arbeiten zu können. So können Sie auch Mitarbeiter an internationalen Standorten erreichen und sind nicht auf zeitlich eingeschränkte Workshops an einem Ort gebunden.
- Am besten eignen sich digitale Plattformen, die speziell für die Strategieentwicklung im Team entwickelt wurden, so wie ConWISE.de (Link zur Testversion). Online-Whiteboards und Kollaborations-Lösungen wie Miro und Mural bieten zwar viele Templates, führen die Anwender aber nicht durch den Prozess und sind als Kreativitätswerkzeuge für Online-Meetings entwickelt worden und weniger für unabhängige Offline-Ausarbeitungen.
- Hinterfragen Sie Branchenexperten, damit Strategien innovativ sind und sich von Wettbewerbern differenzieren.
- Nutzen Sie bei der Strategieentwicklung Impulse von außen. Diese können auch von KI-gestützten Systeme kommen.
- Werden Sie sich immer wieder bewusst: die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen zusammengenommen sind klüger als der klügste Experte.
- Folgen Sie einer strukturierten Vorgehensweise zur Beantwortung der 3 Kernfragen: Wo stehen wir? Wohin wollen wir? Wie kommen wir dorthin?
- Strategisches Management ist keine reine Führungsaufgabe. Öffnen Sie den Prozess bewusst gegenüber Ihren Mitarbeiter*innen.
- Engagieren oder Benennen Sie eine Person, die den Prozess koordiniert und moderiert.
- Prüfen Sie die Möglichkeiten von Self-Consulting Ansätzen, um unternehmensintern erfolgreiche strategischen Konzepte zu entwickeln.
Näheres dazu auch im Artikel Strategieentwicklung im 21. Jahrhundert – Zeit für eine neue Vorgehensweise
Fazit
Das herkömmliche Verfahren, in dem sich das Top-Management mit seinem Beraterteam zurückzieht und hinter verschlossenen Türen einen strategischen Plan ausarbeitet, hat ausgedient. Es reicht heute nicht mehr die Ergebnisse dieser Arbeit in Form von Powerpoints den Beschäftigten in Town Hall Meetings zu kommunizieren und anschließend für jeden Bereich ein bestimmtes Budget festzulegen, damit diese die Strategie umsetzen können. Bereits in der Analyse profitieren Führungskräfte von der Einbindung Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Keiner kennt das Unternehmen und die Branche so gut wie sie. Es gilt alte Denkstrukturen abzulegen, die besagen, dass strategisches Management Hoheitsaufgabe der Führungsetage ist. Man würde das große Potential das im eigenen Unternehmen steckt außer Acht lassen, wenn man sich stattdessen auf das Wissen Weniger oder ein paar ausgewählter Unternehmensberater stützt.